BIM-Projektdesign: Die Krise als Chance
Informationsmanagement
BIM richtig aufsetzen (Teil 1/4)
Die Corona-Pandemie könnte der Digitalisierung der Bauindustrie mehr Schwung verleihen. Warum jetzt noch länger auf BIM-Normen warten – und nicht einfach BIM ausprobieren?
Als seit über 10 Jahren beratende Marktbegleiter, unterstützen wir vorwiegend Bauherren bei der Digitalisierung und Implementierung der BIM Methode. Parallel dazu betrachten wir die bereits bestehenden und in Entwicklung befindlichen öffentlich zugänglichen Grundlagen, welche zur Definition und Initiierung von einem BIM Projekt vorgesehen sind.
Bauherren, Planer und Baufirmen haben unterschiedliche Interessen in Bezug auf die Realisierung eines BIM Projektes. Wie ein BIM Projekt letztendlich aufgesetzt wird muss von jedem Beteiligten auf Basis seiner eigenen Informationsbedürfnisse und auf seine eigene Weise beantwortet werden.
Wie wichtig die Faktoren Menschen, Prozesse und IT-Infrastruktur neben den Richtlinien und Standards sind, zeigen wir aus unserer Sicht in einer Serie aus Fachartikeln auf. In diesem ersten Artikel teilen wir unsere Erkenntnisse und Erfahrungen zum Status Quo in Deutschland und wie essenziell die Menschen und ihre jeweiligen Informationsbedürfnisse bei dem Thema BIM sind.
#1 Was hindert uns daran BIM nicht einfach auszuprobieren?
Just do it.
Wenn nicht jetzt, wann dann? Es ist wichtig anzufangen. Besonders in der derzeitigen Situation erleben wir, dass die bisherigen formal vorherrschenden Strukturen und Prozesse aufgebrochen werden. Was inzwischen als agiles und disruptives Agieren bekannt ist, wird jetzt in vielen Unternehmen sichtbar. Durch den schnellen, gezwungenen Wechsel von dem Arbeiten im Büro zu dem Arbeiten im Homeoffice bedarf es einer anderen effektiven Zusammenarbeit. Ein ortsunabhängiger Zugriff auf Informationen ist gefragt. Dabei ist nicht allein die Zugänglichkeit von Informationen wichtig, sondern auch der Umgang mit den jeweiligen Informationsbedürfnissen. Wir sehen dies im Kontext der Transparenz.
Ein jeder, für den die Information wichtig ist, stellt sich folgende Fragen:
- Welche Information muss von mir geteilt werden?
- Wo finde ich die Informationen von anderen?
- Wer hat die Information erstellt oder bearbeitet?
- Wann wurde die Information erstellt oder bearbeitet?
- Was muss als nächstes mit der Information geschehen?
Saß man beispielweise noch vor Wochen bei einer Planungsbesprechung physisch zusammen, konnte auf ausgeplotteten Plänen die Stellen markiert werden, bei denen Änderungsbedarf bestand. Der Austausch an den Informationen fand somit an einem Ort mit allen Beteiligten statt. Um nun dem „physical distancing“ gerecht zu werden, müssen für den Austausch der gleichen Informationen andere geeignete Hilfsmittel gefunden werden, um die Zusammenarbeit zu gewährleisten.
Wie kann man nun kommunikations- und arbeitsfähig bleiben, wenn notwendige Informationen nicht an einem Ort zugänglich sind? Zudem kann jeder von uns mindestens von einer herausfordernden Videokonferenzen berichten, bei der es erst technische Hürden zu meistern gab, bevor effektiv gearbeitet werden konnte. Ein „könnt Ihr mich sehen und hören?“ gehört fast schon zur Begrüßung dazu.
Betrachten wir BIM aus dem Blickwinkel der „Digitalisierung“. Der Begriff „Digitalisierung“ hat laut dem Gabler Wirtschaftslexikon mehrere Bedeutungen. In diesem Artikel wird der Begriff im Kontext der digitalen Umwandlung und Darstellung bzw. Durchführung von Information und Kommunikation gesehen. Es verändern sich somit analoge Kommunikations- und Arbeitsschritte hinzu digitalen Lösungen zum Austausch von Informationen und der Kommunikation. Mit dem Gießkannenprinzip alle analogen Schritte 1:1 zu digitalisieren ist dabei nicht zielführend. Thorsten Dirks war von Oktober 2014 bis Dezember 2016 Vorstandsvorsitzender der Telefónica Deutschland Holding und machte 2015 auf dem Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ seinem Unmut über schlechte Digitalisierungsprojekte Luft: „Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.“
Für die Implementierung der Arbeitsmethode Building Information Modelling (BIM) gilt das Gleiche. Oft wird BIM nur z.B. für die 3D-Modellierung bedacht und die Informationen, die für den Betrieb wichtig sind, werden nicht in die Planung mit einbezogen. Die Informationen eines Gebäudes ganzheitlich über den Lebenszyklus zu betrachtet ist bereits Bestandsteil der internationalen Norm DIN EN ISO 19650, die im August 2019 herausgegeben wurde (Hrsg. DIN Deutsches Institut für Normung e. V.) Die Abbildung zeigt aus unserer Sicht vier bereits bestehende Standards und Normen die hinsichtlich der Informationsbedürfnisse in den Bereichen Planen, Bauen und Betreiben unter Einbezug der BIM Methode relevant sind.

Als Bauherr, Investor, Projektentwickler oder Betreiber sind Informationen und Daten zu dem Gebäude essenziell. Sei es z.B. für die Ermittlung von Massen und Mengen in der Planung und im Bauen, als auch in der Betriebsphase für die Ausschreibung von Facility Services. Umso ganzheitlicher die Informationen in den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes einbezogen werden, desto höher ist letztendlich auch der Informationsgehalt. Das bedeutet, dass verschiedene Stakeholder mit ihren unterschiedlichen Informationsbedürfnissen zu den jeweiligen Zeitpunkten im Lebenszyklus eines Gebäudes Zugriff auf die jeweiligen Informationen erhalten.
Für uns bedeutet dies, dass Informationen von den jeweiligen Projektbeteiligten erstellt und geteilt werden. Dies führt zu transparenten Informationen, da diese für alle Beteiligten zugänglich sind. Transparenz muss gewünscht sein, um einen offenen Austausch zu erfahren. Dieser offene Austausch wird durch verschiedene Interessensgruppen nicht immer verfolgt, da Geschäftsmodelle auf der Intransparenz basieren. Wo Transparenz innerhalb von Projekten vorhanden ist, erfahren aus unserer Perspektive heraus alle einen großen Mehrwert.
Um die gewünschte Transparenz zu erhalten, ist bei der Umsetzung von BIM wichtig, die Anforderungen an die Informationsbedürfnisse vor Projektbeginn zu definieren. Das heißt, welche Informationen zu welchen Zeitpunkten benötigt werden und von wem diese Informationen zur Verfügung gestellt werden. Diese Anforderungen gehen in den Auftraggeber-Informationsanforderungen (kurz AIA oder EIR) auf. Diese Anforderungen sind in Leistungsbildern darzustellen. Hierin liegt eine große Herausforderung, da es auch für die BIM Leistungen keine eindeutigen Vorgaben gibt. Seitens der Bundesarchitektenkammer oder beispielsweise dem AHO Heft Nr. 11 sind bisher nur Empfehlungen gegeben, wie sich BIM Leistungen in Grundleistung und Besondere Leistung eingliedern lassen können. Somit gilt auch hier das Vertrauen auf Ihrer bisherigen Projekterfahrung und dem Austausch mit bereits BIM-erfahrenen Beteiligten.
#2 Was spricht gegen eine bessere Zusammenarbeit und effektiveres Miteinander durch kollektives Denken?
Aus unserer Perspektive kann BIM die Zusammenarbeit verbessern und das Miteinander durch einen konstruktiven gemeinsamen Austausch der Informationsbedürfnisse effektiver gestalten.
BIM, noch vor Jahren als innovative „neue“ Arbeitsmethode ausgerufen, fand „early adopters“. Menschen, in dem Falle Planende und Baubeteiligte, welche die neuesten technischen Entwicklungen als Erste nutzten. Es wurden beispielsweise mit bestehender Software 3D modelliert oder digitale Hilfsmittel von Einzelnen eingesetzt, bevor es den Begriff „BIM“ gab.
Mit der Brille der „Effizienz“ wird heute vielfach gewünscht, dass durch BIM die Planungsqualität erhöht, Termine fristgerecht und Kosten eingehalten werden. Spricht dies aber wirklich für eine Innovation oder drehen wir uns damit nicht in dem Kreis der Optimierung von bereits bestehenden Prozessen? Wobei wir wieder bei dem Thema der „Digitalisierung“ sind. Für BIM im Kontext der „Digitalisierung“ sind aus unserer Perspektive vier Faktoren wichtig, die in die digitale Umwandlung innerhalb eines Unternehmen mit einzubeziehen sind: Menschen, Prozesse, IT-Infrastruktur und Standards/Richtlinien.
Ohne den bewussten Einbezug dieser vier Faktoren wird die digitale Umwandlung nicht gelingen. Der Mensch und seine Informationsbedürfnisse werden in der Rangfolge wieder der maßgebliche Faktor zur Gestaltung von Prozessen. Die Prozesse nehmen nur einen kleineren Teil davon ein. Meist wird für Prozesse und ihre Abläufe eine Standardisierung angestrebt. Was aber nun, wenn keine Standards und Normen vorliegen? Ist dem so?
Was wir bisher erlebt haben ist, dass die Standardisierung und Normierung von BIM durch die Praxis überholt wurde. In Deutschland gibt es bisher keine einheitlichen BIM Standards. Für Planende erarbeitet der VDI mit der VDI-Richtlinie 2552 Building Information Modeling (Hrsg. VDI-Gesellschaft Bauen und Gebäudetechnik) eine nationale Richtlinie als Empfehlung für die Implementierung von BIM. Fraglich ist, ob diese Richtlinie tatsächlich zur Anwendung kommt, da die vollständige Veröffentlichung der bisherigen elf Blätter erst im Dezember 2021 zu erwarten ist. Nimmt man sich der elf Blätter bereits an, so wird schnell ersichtlich, dass es keine konkrete Vorgehensweise zur Implementierung von BIM ist, sondern eher ein übergeordnetes Aufzeigen der Anwendung von BIM.
Auf politischer Ebene wurde bereits im Jahr 2015 mit dem Stufenplan Digitales Planen und Bauen (Hrsg. BMVI, Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur) begonnen, den Weg für die Anwendung der BIM Methode im Bereich Infrastruktur zu ebnen. Darauf folgte im Juni 2019 die Schaffung des „nationale BIM-Kompetenzzentrum“ durch die weitere Initiative des BMVI und in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). Das nationale BIM-Kompetenzzentrum soll für ein einheitliches und abgestimmtes Vorgehen u.a. für die Entwicklung und Umsetzung einer einheitlichen Normungs- und
open-BIM-Strategie sorgen (siehe BMVI Pressemitteilung vom 28.06.2019). Ein konkreter Zeitplan, bis wann mit der Fertigstellung zu rechnen ist, liegt uns bisher leider nicht vor.
Wollen wir auf die Veröffentlichung von Standards und Normen warten? Oder nutzen wir nicht jetzt die gewonnene Flexibilität, um selbst in und mit der Praxis zu lernen? Ohne bisherige BIM Standards wird bereits BIM in der Praxis gelebt. Bei den bestehenden BIM Projekten, die wir begleiten, erleben wir bereits wie das Projekt durch die Projektbeteiligten mehr in den Mittelpunkt gebracht wird. Durch kollektives Denken gestalten alle Projektbeteiligten ihre Zusammenarbeit kooperativer und sind bereit sich miteinander digital auszutauschen. Sei es über das Teilen und Referenzieren von 3D-Modellen oder durch das Nutzen von einer sogenannten Kollaborationsplattform, die es ermöglicht direkte Besprechungen am 3D-Gesamtmodell zu protokollieren (vgl. BCF-Issues). In den meisten Fällen werden so auch bisherige Protokolle hinfällig und durch digitale Informationen umgewandelt.
#3 Technologie kann helfen kommunikations- und arbeitsfähig zu bleiben. Warum die Chance verstreichen lassen?
Wie wir am oben genannten Beispiel sehen können, kann der Faktor Technologie dabei unterstützen kommunikations- und arbeitsfähig zu bleiben. Beispielsweise wird durch den Einsatz von einer Projekt- und Kollaborationsplattform mit entsprechenden Zugriffsrechten (im Kontext von BIM auch Common Data Environment genannt) das orts- und zeitunabhängige Arbeiten ermöglicht. Durch die „Digitalisierung“ und der Einsatz von Technologie stehendie Informationen dort zur Verfügung, wo der Mitarbeiter oder der Projektbeteiligte gerade ist: im Homeoffice oder im Büro, auf dem Tablet auf der Baustelle oder mit dem Smartphone unterwegs. Videokonferenzsoftware, die easy-to-use ist, lösen zum Teil physische Vor-Ort-Besprechungen ab und ermöglichen es durch „Desksharing“, dass alle Beteiligten Einsicht haben auf Dokumente oder allgemein auf Informationen.
Fazit
Beim Thema BIM gibt es kein Richtig und kein Falsch. Die Menschen bei der „Digitalisierung“ mit ihren Informationsbedürfnissen in den Vordergrund zu stellen, gibt uns die Möglichkeit eine effektive digitale Umwandlung zu erreichen. Besser heute als morgen. Die eingesetzten Technologien und Prozesse folgen diesen Informationsbedürfnissen.
Aus unserer Sicht unterstützen diese 5 Fragen die Implementierung von BIM:
- Wie sind wir heute und morgen effektiv (im Gegensatz zu effizient)?
- In welchen Bereichen kann BIM uns unterstützen?
- Welche Prozesse benötigen wir digital?
Das Hinterfragen der bestehenden Prozesse ist sinnvoll. - Ist die jetzige Technologie (IT-Infrastruktur, weitere eingesetzte Tools) wirksam oder wo sind Veränderungen notwendig?
- Welche Hilfsmittel oder Tools werden gebraucht, um flexibel und ortsunabhängig arbeiten zu können?
Fünf Empfehlungen, um ein BIM-Projekt richtig aufzusetzen:
#1 Klare Benennung von Verantwortlichkeiten (Wer?, Was?, Wie?, Wann?, Wo?, Womit?) – Veränderungsprozesse nicht unterschätzen
#2 BIM Leistungen nicht zwingend in neue Rollen aufteilen – Komplex versus smarte Projekte (z.B. kann der Objektplaner BIM Leistungen übernehmen, die sonst als zusätzliche Rolle ein BIM-Manager und BIM-Gesamtkoordinator übernehmen würde?)
#3 Anforderungen von der Anwendung heraus denken – was benötige ich wirklich? Nicht viel hilft viel (z.B. benötige ich wirklich ein Modell für den Betrieb oder welche Informationen sind ausreichend?)
#4 Analoge Prozesse nicht 1:1 in digitale Prozesse umwandeln
#5 Nutzung von digitalen Tools zur Zusammenarbeit – z.B. Einsatz einer Kollaborations- und Projektplattform, einer Koordinationssoftware, einer Videokonferenzsoftware usw.