CDE-Implementierung im Real Estate Management

Common Data Environment

BIM richtig aufsetzen (Teil 2/4)

Kaum ein Artikel über BIM kommt ohne das Kürzel CDE aus. Nicht ohne Grund – CDE ist ein essenzieller Teil der BIM-Methodik. Der Beitrag erklärt die CDE an Beispiel des Informationsmanagements von bestandshaltenden Bauherren.

#1 Einleitung

BIM ist ein komplexes Thema und wird häufig auf den Umgang mit 3D-Modellen reduziert. Dabei ist die ausschließliche Sichtweise auf Modell bezogene Inhalte eine Gefahr für die erfolgreiche Einführung der BIM-Methode in einer Organisation. Kern ist das Informationsmanagement, dessen Abbildung idealerweise in einer gemeinsamen Datenumgebung (Common Data Environment, CDE) stattfindet. Die gemeinsame Datenumgebung ist die vielzitierte „Single-Source-of-Truth“. Somit stellt die Implementierung einer CDE einen wichtigen Baustein für die Implementierung der BIM-Methode dar. Dabei ist jedoch hervorzuheben, dass die folgenden Ausführungen zur CDE sich auf das Informationsmanagement von bestandshaltenden Bauherren beziehen – ganz gleich ob privater oder öffentlicher Bauherr.

#2 Grundsätze

Der Begriff „Common Data Environment“ wird aus verschiedenen Sichtweisen interpretiert. Für die einen bedeutet CDE eine Software zur Verwaltung von Projektinformationen, für die anderen ist es gedankliches Konstrukt im Umgang mit assetbezogenen Informationen (Projekt- und Assetinformationen).

Entsprechend der DIN EN ISO 19650-1:2019 wird die Common Data Environment (CDE) oder die gemeinsame Datemumgebung als „eine vereinbarte Umgebung für Informationen für ein bestimmtes Projekt oder für ein Asset, um jeden Informationscontainer über einen verwalteten Prozess zu sammeln, zu verwalten und zu verbreiten“ definiert (DIN EN ISO 19650-1:2019-08, S. 13).

Im Gegensatz dazu konkretisiert bzw. reduziert die DIN SPEC 91291-1 die CDE auf eine „internetbasierte Plattform für das Management von Prozessen und Informationen in allen Lebenszyklusphasen eines Bauwerks“ (DIN SPEC 91391-1:2019-04, S. 9).

Als Unterstützung in der Beschaffung von CDE-Lösungen ist die Definition aus der DIN SPEC 91391 hilfreich, widerspricht jedoch dem eigentlichen Grundgedanken einer umfassenden gemeinsamen Datenumgebung für die Verwaltung und Verarbeitung von bauwerksbezogenen Informationen. Denn die Realität zeigt: Eine CDE ist eine Sammlung von Tools. Eine gemeinsame Datenumgebung setzt sich aus verschiedenen Tools zusammen. Diese können beispielsweise sein:

  • Projektplattform
  • Kollaborationsplattform
  • Dokumenten-Management-System
  • CAFM-System
  • usw.

Grundsätzlich lässt sich festhalten, eine gemeinsame Datenumgebung ist die Abbildung des Informationsmodells (Projekt- und Assetinformationsmodell), die mit verschiedenen Anwendungen realisiert wird.

#3 Ansätze

Eine gemeinsame Datenumgebung für das Informationsmanagement sämtlicher Assets (bauwerksbezogene Objekte) sollte für bestandshaltende Bauherren die oberste Priorität im Rahmen einer unternehmensweiten Implementierung der BIM-Methode haben. Dabei sind mindestens drei wesentliche Ansätze zu verfolgen.

  1. Ganzheitlichkeit
  2. Prozessorientierung
  3. Metadatenorientierung

#3.1 Ganzheitlich

Die Implementierung einer gemeinsamen Datenumgebung sollte einem ganzheitlichen und lebenszyklusübergreifenden Ansatz folgen. Ganzheitlich bedeutet in diesem Fall die Betrachtung sämtlicher Projekt- und Betreiberinformationen (Dokumente, geometrische Daten und nicht-geometrische Daten) über sämtliche Lebenszyklusphasen aller Liegenschaften bzw. aller Bauwerke. Dabei kann die gemeinsame Datenumgebung als eine Zusammenstellung aus Projekt- und Betreiberplattformen betrachtet werden. Hierbei treten drei wesentliche Fokusthemen auf (siehe Figure 1):

  1. Übergabe an den Betrieb (Inbetriebnahme, Umgang mit betriebsrelevanten Informationen)
  2. Archivierung (Umgang mit nicht-betriebsrelevanten Informationen)
  3. Bereitstellung von Bestandsdaten zu Projektstart (Informationsgrundlage für neue Projekte)

Figure 1: CDE im Informationsmanagement

Entsprechend dem Grundsatz, dass die gemeinsame Datenumgebung eine Sammlung an verschiedenen Tools darstellt, veranschaulicht Figure 2 eine Ideallösung zur Gestaltung einer ganzheitlichen technischen Lösung. Kernelemente sind hierbei eine Projektplattform zur Organisation der Projektinformationen, ein zentraler Datenbestand zur Organisation der Betreiberinformationen sowie eine gemeinsame Informationsstruktur (z.B. Referenzkennzeichnung nach DIN EN 81346:2010-05).

Die Projektplattform ist dabei projektorientiert und ermöglicht die Zusammenarbeit im Projektteam sowie die Durchführung von Standardprozessen. Im Wesentlichen dient sie dabei der Sortierung und Strukturierung von Informationen.

Der zentrale Datenbestand ist dagegen liegenschaftsorientiert und fungiert als zentrale Datenquelle für weitere informationsverarbeitende Anwendungen wie z.B. ein CAFM-System. Dieser zentrale Datenbestand könnte auch als ein „Common Data Model“ für Assetinformationen bezeichnet werden.

Die gemeinsame Informationsstruktur ist dabei das verbindende Glied zur Organisation und Verwaltung der Informationen. Sie sorgt für eine eineindeutige Zuordnung von Informationen zu Bauteilen, Assets etc. und findet sich wieder bei Dokumenten, Plänen und Modellen/Modellelementen.

Figure 2: Idealgestaltung von CDE-Lösungen

#3.2 Prozessorientiert

Es wäre ein Missverständnis, dass die Implementierung einer CDE aussschließlich technologiegetrieben ist. In Wahrheit geht es um Prozesse. Dabei kann sich anch dem bekannten Leitsatz „Form Follows Function“ orientiert werden. Die Prozesse gestalten die CDE, nicht vice versa (Vgl. UK BIM Alliance 2020, S. 28).

Die dabei zu implementierenden Prozesse sollten sich nach den organisations- und projektrelevanten Prozessen orientieren und können sehr individuell ausgestaltet werden.

Dafür gibt die DIN EN ISO 19650-1:2019-08 einen Ansatz zur Organisation von Informationen und Prozessen mithilfe von vier verschiedenen Status (siehe Figure 2):

  1. in Bearbeitung
  2. geteilt
  3. veröffentlicht
  4. archiviert
Figure 3: Status in der gemeinsamen Datenumgebung (DIN EN ISO 19650-1:2019-08, S. 36)

#3.3 Metadatenorientiert

Metadaten sind „Informationen über Merkmale anderer Daten“ (DIN SPEC 91391-1:2019-04, S. 10). Man kann sie auch als Eigenschaften betrachten bzw. bezeichnen. Sie dienen der Beschreibung einer Struktur der Daten, erleichtern das Archivieren und Wiederauffinden von Daten und können bei Prozessen unterstützen. So sollten z.B. Dokumente, Pläne oder Modelle metadatenorientiert verwaltet bzw. verarbeitet werden können. Dabei gibt es drei wesentliche Metadaten, auf die nicht verzichtet werden sollte  (vgl. UK BIM Alliance 2020, S. 30):

  1. Revision (zur Sicherstellung der Revisionierbarkeit von Informationen)
  2. Status
  3. Klassifizierung/Informationsstruktur
Figure 4: Darstellung eines Informationscontainers

#4 Herausforderungen

Die Implementierung einer gemeinsamen Datenumgebung kann verschiedene Herausforderungen mit sich bringen. Die wesentlichen, in der Praxis häufig auftretenden Herausforderungen sind das Fehlen einer Zielstellung, die fehlende Betrachtung von Use Cases, die fehlende Berücksichtigung der Anwendenden sowie die bisher unzureichend organisierte Interoperabilität von CDE-Lösungen innerhalb der technischen Infrastruktur.

#4.1 Definition der Zielsetzung

Unter der Berücksichtigung eines fehlenden ganzheitlichen Ansatzes bei der Implementierung einer CDE oder einzelnen CDE-Lösungen beobachten wir häufig, dass nicht zwischen einer CDE und einzelnen CDE-Lösungen (z.B. Projektplattform) unterschieden wird. Beispielsweise dient eine Projektplattform zur Verwaltung der Projektinformationen und ist nur ein Teil der gesamten gemeinsamen Datenumgebung. Die Projektplattform dient somit zur Erfüllung anderer Ziele. Es braucht daher eine Differenzierung der Zielstellung zwischen der CDE und einzelnen CDE-Lösungen (wie z.B. der Projektplattform oder dem CAFM-System).

#4.2 Definition von Use Cases

Genau wie sich bei der Implementierung der BIM-Methode die Denkweise in Anwendungsfällen durchgesetzt hat, so ist auch bei der Implementierung einer CDE oder Teilen davon, diese Denkweise von Nutzen. Jede Anwendung innerhalb der gemeinsamen Datenumgebung hat ihre eigenen Use Cases und dementsprechende Anforderungen an Metadaten, Prozesse, Beteiligte etc.

Bei der Beschaffung von CDE-Lösungen wird selten in Use Cases gedacht. Die Folgen daraus sind schwer einschätzbare Anforderungen an Metadaten, das Fehlen von Monitoring-Möglichkeiten oder Schwierigkeiten bei der Weiterentwicklung der CDE-Lösung.

Beispiele für Use Cases bei einer Projektplattform:

  • Einhaltung von Dokumentationsanforderungen
  • Soll-Ist-Vergleich für Lieferungen (Dokumente, Modelle, Pläne)
  • Modellmanagement (Prüfung und Freigabe)
  • Nachtragsmanagement
  • Übergabe der Dokumentation nach Projektende

#4.3 Faktor Mensch

Der Erfolg einer CDE (bzw. einer CDE-Lösung) hängt maßgeblich von ihrer Nutzung ab. Wird die Anwendung ungern durch die Anwendenden genutzt, so kann es schnell passieren, dass sich parallele Prozesse oder Anwendungen entwickeln, die nicht Bestandteil der gemeinsamen Datenumgebung sind. Die Gründe für eine Nicht-Nutzung oder widerwillige bzw. zögerliche Nutzung können vielschichtig sein. Hier greifen auch die „klassischen“ Herausforderungen bei der Einführung von neuer Software.

CDE-Lösungen leben von Metadaten. Die Eingabe von Metadaten kann jedoch die Anwendenden überfordern, insbesondere wenn es zu viele sind oder Eingabeformulare nicht intuitiv gestaltet sind. Die Benutzeroberfläche und damit einhergehende Nutzerführung einer CDE-Lösung ist daher genauso wichtig wie Ihre Funktionalitäten. Bei der Beschaffung von CDE-Lösungen sollten auch solche subjektiven Kriterien, die häufig nur schwer objektiv messbar gemacht werden, berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit besteht darin, Anwendungen individuell anpassbar zu beschaffen. Denn eigene organisationsspezifische Anpassungen können zur Akzeptanz helfen, wo Standardlösungen eher frustrieren können.

#4.4 Technische Infrastruktur

Eine gemeinsame Datenumgebung ist eine Sammlung an verschiedenen Anwendungen. So stellt die Interoperabilität zwischen diesen Anwendungen eine weitere Herausforderung dar. Hier geht es insbesondere auch um die Interoperabilität von Metadaten und die Übergabe von Informationen (z.B. Übergabe von metadatenorientiert abgelegten Projektdokumenten aus dem Projekt an Betreibersysteme). Hierbei gibt es bisher (noch) keinen Industriestandard.

Die Praxis zeigt, dass es unerlässlich ist, sich über ein ganzheitliches Informationsmodell („Common Data Model“) Gedanken zu machen. Dieses Informationsmodell würde damit das Zielsystem für Informationslieferungen darstellen und somit das CDE definieren. Denn es wäre ein informationstechnischer Rückschlag, die aufwendig erstellten Projektinformationen, die entsprechend aller Anforderungen metadatenorientiert während des Projektes zusammengestellt worden sind, in Betreibersysteme zu übergeben, die nicht darauf vorbereitet sind.

#5 Fazit

Bei allen Sichtweisen auf ein CDE lässt sich zusammenfassend sagen, dass ein CDE nicht nur die Technologie allein beschreiben. Es muss immer zwischen der technischen Lösung (eingesetzte Software und Plattformen) und den zugehörigen Workflows unterschieden werden. Das CDE wird zur Unterstützung von Prozessen genutzt, die sicherstellen, dass Informationen verwaltet und für diejenigen, die diese Informationen benötigen, jederzeit verfügbar sind. Das CDE besteht dabei in der Regel nicht nur aus einer einzelnen technischen Lösung, sondern aus einer Reihe von Systemen, die zur Umsetzung von kollaborativen Workflows erforderlich sind. Werden mehrere Systeme benötigt, müssen diese immer miteinander funktionieren. Dies wird z.B. über den Einsatz offener Schnittstellen, wie IFC oder BFC, gewährleistet. Gleichzeitig kann durch ein Kennzeichnungssystem eine Verknüpfung zwischen Systemen und Informationen geschaffen werden, die ebenso einen kollaborativen Workflow abbilden können.